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Judika 26.3.2023
Hebräerbrief 5,7-9
7 Jesus Christus hat in den Tagen seines fleischlichen Lebens Bitten und Flehen mit lautem Schreien und mit Tränen dem dargebracht, der ihn vom Tod erretten konnte;
und er ist auch erhört worden, weil er behutsam an Gott festhielt.
8 So hat er, obwohl er Gottes Sohn war, doch an dem, was er litt, Gehorsam gelernt.
9 Und als sein fleischliches Leben vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber der ewigen Rettung geworden.
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Liebe Gemeinde,
Passionszeit. Leidenszeit.
Jesus muss leiden.
Er muss…
Gerne ist er den Leidensweg nicht gegangen.
Er hätte das Leiden gerne vermieden.
Darum hat er gebetet…
Nicht irgendwie leise oder unterwürfig.
Jesus sieht das bittere Leiden auf sich zukommen.
Wie die Folterknechte ihn auspeitschen und sich lustig machen über seine Ohnmacht.
Wie die Menschen, die ihm vorher zugejubelt haben, jetzt plötzlich seinen Tod fordern.
Jesus will diesen Weg der Schande und der Demütigung vermeiden.
Und darum hadert er mit Gott – seinem Vater im Himmel.
Er schreit ihm seine Verzweiflung entgegen.
Er durchlebt ein Wechselbad der Gefühle…
Schreiende Anklage und dann Tränen der Ohnmacht.
Weinen, schreien und beten…
Alles durcheinander, alles sich von einer Sekunde zur anderen abwechselnd.
Kennen Sie das auch an sich, wenn Sie vor sich eine Sackgasse stehen, in die Sie hineinmüssen?
Eine Sackgasse, vor der es keinen Ausweg gibt.
Es gibt nur diesen Weg in die Sackgasse und keinen anderen.
Doch auf dem Weg durch die Sackgasse, da gibt es wenigstens eins…
… die Hoffnung nämlich.
Die Hoffnung, dass Gott auch im finsteren Tal, auch in der Sackgasse an meiner Seite steht.
Die Hoffnung, dass er mir beisteht auf einem Weg voller Schmerzen mit der Kraft des Glaubens.
Diese Hoffnung hat Jesus dabei gestärkt, den Weg des Leidens anzunehmen, der sich vor ihm auftat.
>> Jesus ist erhört worden, weil er behutsam an Gott festhielt <<
So lesen wir es im Hebräerbrief.
Behutsam am Gott festhalten…
Bleiben wir ein wenig bei diesem Gedanken
Wer behutsam an etwas festhält, der vermeidet die kurze Frage nach dem „Warum“.
Wer behutsam an etwas festhält, der braucht nicht unbedingt die schnelle und eindeutige Lösung.
Wer behutsam an etwas festhält, der kann ausharren, der kann warten und am Ende darauf vertrauen, dass die Sackgasse vor den Augen doch nicht ausweglos ist – gegen allen Augenschein – gegen alle
Berechnung.
In unserer Kirche trennen keine zwei Meter das Gefühl des verzweifelten Zorns vom Erlebnis der Erlösung.
Ganz oben an der Decke sehen wir den betenden, schreienden und flehenden Jesus…
Und zwei Meter darunter den auferstandenen HERRN im Strahlenkranz, umgeben von dutzenden Engeln.
Verzweiflung und Erlösung – so nahe beieinander – wie so oft im Leben.
Und dann die Frage:
Warum ist das Bild der Verzweiflung über dem Bild der Erlösung angebracht?
Was haben sich die tiefsinnigen Ausgestalter unserer Kirche dabei gedacht?
Meine vorsichtige Vermutung…
Das Leid, die Ausweglosigkeit, sie drängen sich sofort in den Vordergrund.
Die schlechten Nachrichten, sie bleiben als erste hängen.
Doch das Bild der Verzweiflung haben die Gestalter unserer Kirche ins Gewölbe gesetzt.
Vielleicht wollten sie damit ausdrücken…
Die Verzweiflung…
Sie vergeht – so wie die dunkle Nacht vom Morgenschein verdrängt wird.
Die Verzweiflung…
Sie rutscht weg, weil sich das Krumme und Schiefe nicht oben halten kann.
Und von unten her – fest gegründet auf der behutsamen Hoffnung da wächst das Rettende und das Erlösende – die Kraft der Auferstehung, die den Tod besiegt.
In der Wochenzeitung „Die Zeit“ steht jede Woche auf der letzten Seite eine Rubrik.
Sie trägt den Titel:
„Was mein Leben reicher macht.“
Das Wort „reicher“ ist das einzige Wort, das in dieser umfangreichen Zeitung mit immerhin 70 Seiten unterstrichen ist.
Jede Woche schreiben Menschen in wenigen Sätzen von Erlebnissen und Erfahrungen, die ihr Leben reicher machen.
In dieser Woche steht da eine besonders beeindruckende Erfahrung.
Eine Frau aus Schwaben schreibt:
„In der Krebsstation.
Ich liege unter dem Bestrahlungsgerät, im Hintergrund läuft ein Radio und Gloria Gaynor singt:
>> I will survive << ich werde überleben.
Behutsam hält da eine Frau an ihrer Hoffnung fest.
Sie geht den Weg durch die Sackgasse der Krebstherapien, weil es keinen anderen Weg gibt.
Doch sie vertraut darauf, dass die Strahlen bei ihr eine heilende Wirkung entfalten.
Sie vertraut darauf, dass sie überleben wird.
Vertrauen gegen allen Anschein.
Vertrauen gegen alle Berechnung.
Diese Kraft schenkt uns der Glaube.
Gott hat seinem Sohn den Weg durch das Leid nicht erspart.
Denn im Leiden hat Jesus „Gehorsam“ gelernt – so heißt es im Hebräerbrief.
Doch mit diesem Gehorsam des Glaubens ist etwas anderes gemeint als die willenlose Unterwerfung unter einen sadistischen Machthaber.
Im griechischen Text steht für das Wort „Gehorsam“ der Begriff „Hyp-akoä“.
Das bedeutet so viel wie „über etwas hinaus-hören“.
Etwas „heraus-hören“ aus einer Situation, die einfach nur ausweglos scheint.
Jesus und die Frau unter dem Bestrahlungsgerät – sie beide hören mehr als bloße Worte.
Jesus und die Frau unter dem Bestrahlungsgerät – sie beide sehen über die Folterwerkzeuge und die Krebsgeschwüre hinaus.
Sie halten behutsam fest am Glauben und an der Hoffnung, dass es eine Rettung gibt.
Ja, Rettung, die gibt es…
Für Jesus am Ostermorgen bei der Auferstehung!
Für uns, weil wir darauf vertrauen, dass auch wir auferstehen werden.
Ja, auferstehen werden wir, wenn uns Christus aus den Gräbern ruft.
Und auferstehen dürfen wir immer wieder aus so mancher Verzweiflung und so mancher schweren Krankheit.
„Ich werde überleben…“
Daran glaubt die Frau unter dem Bestrahlungsgerät.
Bei den Wegen durch die dunklen Täler unseres Lebens – da sind wir nicht allein.
Daran glauben wir.
Denn im Glauben hören wir mehr als nur Worte.
Im Glauben spüren wir in den Worten eine Kraft, die rettet und erlöst, aus so mancher Krankheit, aus so mancher Verzweiflung und ganz gewiss in alle Ewigkeit.
Amen
Herzlich grüßt Sie, Ihr Pfarrer Jürgen Rix
Reminizere 5.3.2023 Mk 12, 1 – 12
Markus 12,1-12 Von den bösen Weingärtnern
1 Jesus fing an, zu den Hohenpriestern und Schriftgelehrten in Gleichnissen zu reden:
Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und zog einen Zaun darum und grub eine Kelter und baute einen Turm und verpachtete ihn an Weingärtner und ging außer Landes.
2 Und er sandte, als die Zeit kam, einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs hole.
3 Sie nahmen ihn aber, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort.
4 Abermals sandte er zu ihnen einen anderen Knecht;
dem schlugen sie auf den Kopf und schmähten ihn.
5 Und er sandte noch einen andern, den töteten sie;
und viele andere:
die einen schlugen sie, die andern töteten sie.
6 Da hatte er noch einen, seinen geliebten Sohn;
den sandte er als Letzten auch zu ihnen und sagte sich:
Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen.
7 Sie aber, die Weingärtner, sprachen untereinander:
Dies ist der Erbe;
kommt, lasst uns ihn töten, so wird das Erbe unser sein!
8 Und sie nahmen ihn und töteten ihn und warfen ihn hinaus vor den Weinberg.
9 Was wird nun der Herr des Weinbergs tun?
Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg andern geben.
10 Habt ihr denn nicht dieses Schriftwort gelesen (Psalm 118,22-23):
»Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden.
11 Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unseren Augen«?
12 Und sie trachteten danach, ihn zu ergreifen, und fürchteten sich doch vor dem Volk; denn sie verstanden, dass er auf sie hin dies Gleichnis gesagt hatte.
Und sie ließen ihn und gingen davon.
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Liebe Gemeinde,
„Ihr versteht mich einfach nicht.“
Sie rennt aus dem Zimmer und schlägt die Tür zu.
„Das ist ja nicht mehr zum Aushalten“, denkt sie.
„Nichts kann ich ihnen mehr recht machen.
Nichts, was ich tue, gefällt meinen Eltern."
Das ist schon seit geraumer Zeit so.
Ungefähr seit sie 13 ist.
Also zwei Jahre schon.
Und wenn sie miteinander sprechen, sie und die Eltern, dann endet es meistens damit, dass sie wütend aus dem Zimmer rennt.
Genau wie jetzt.
„Ich habe es ihnen doch zu erklären versucht, aber sie verstehen mich einfach nicht.“
Hilflos und ohnmächtig fühlt sie sich.
Genau wie die Eltern.
Sie kann sie sprechen hören.
Sie sitzen im Wohnzimmer und reden noch einmal über alles.
„Sie haben wenigstens einander.“
Sie ist ein bisschen neidisch.
„Und wen habe ich?
- Naja, wenigstens Caro.“
Ihrer besten Freundin kann sie alles erzählen.
„Die versteht mich.“
Caro und ich gegen den Rest der Welt.
So fühlen sie sich, wenn sie in ihrem Zimmer sitzen und quatschen.
Gegen den Rest der Welt - das ist vielleicht ein bisschen übertrieben.
Aber gegen die Eltern.
Das stimmt schon.
„Ihr versteht mich einfach nicht.“
Ein Satz, den viele von uns schon einmal gesagt oder zu hören bekommen haben.
In der Partnerschaft, unter Freunden, zwischen Eltern und Kindern.
Es gibt Situationen, wo gar nichts mehr geht.
Da habe ich mich erklärt, erwarte Verständnis und Zuwendung, und was bekomme ich zu hören?
Kritische Worte.
Oder umgekehrt:
Jemand schüttet mir sein Herz aus und erwartet Trost, aber ich kann nicht verbergen, dass ich kein Verständnis habe.
Ich brauche gar nichts zu sagen.
Der andere spürt es auch so.
Es gibt Situationen, in denen es keine Zwischentöne mehr gibt.
Nur schwarz oder weiß.
Freund oder Feind.
Bist du für oder bist du gegen mich?
Manchmal kommt man nach einiger Zeit wieder zusammen, manchmal trennen sich die Wege.
„Ihr versteht mich einfach nicht.“
So lange es die Möglichkeit gibt, sich neu zu begegnen, aufeinander zuzugehen und Verständnis füreinander zu gewinnen, ist es nicht so schlimm.
Schlimm wird es, wenn ein Mensch mit diesem Lebensgefühl seinem Tod entgegensieht.
Als Jesus in Jerusalem einzieht, hat sich die Situation dramatisch zugespitzt.
Es gibt nur noch Freund oder Feind.
Die einen bereiten ihm einen königlichen Empfang, breiten ihre Kleider aus, jubeln ihm zu, als er auf einem Esel in die Stadt hinaufreitet.
Die einfachen Menschen sind es, die ihre ganze Hoffnung auf ihn setzen.
Die anderen, die das Sagen haben, die religiösen Eliten, der Hohepriester, die Ältesten und Schriftgelehrten, die fühlen sich bedroht.
Jesus passt einfach nicht in das Schema des gewohnten Religionsbetriebs.
Was Jesus über sich und Gott sagt, steht für sie im Widerspruch zu dem, was sich als religiöse Tradition herausgebildet hat.
Für die Einflussreichen ist Jesus ein Gotteslästerer.
Sie wollen ihn loswerden.
So schmieden sie einen Plan, wie sie ihn töten können.
Machtlose Freunde und mächtige Feinde.
Jesus weiß, dass ihm nur noch wenig Zeit bleibt, sich zu erklären.
Immer direkter und aggressiver werden ihre Fragen.
Feindselig, nahezu hasserfüllt treten sie ihm gegenüber.
Jesus macht am Ende seines Lebens die Erfahrung, dass die Menschen, mit denen er die meisten Streitgespräche geführt hat, ihn nicht verstehen.
Sie bleiben bei ihrer Sicht der Dinge.
Jesus weiß:
Sie haben die Macht, Menschen zu beeinflussen und sie haben Macht, ihn zu töten.
Er sieht sie als die Weingärtner, die den Erben umbringen.
Wenn es ihm nicht gelingt, sie zu überzeugen, wird er den Tod finden.
Jesus und die religiösen Führer:
aus den Gegnern sind am Ende Todfeinde geworden.
Ich frage mich, warum Jesus das Gleichnis erzählt.
Will er seine Gegner tatsächlich umstimmen?
Traut er ihnen zu, dass sie ihre Feindseligkeit ihm gegenüber ablegen?
Werden sie seine Drohung ernst nehmen, dass der Weinbergbesitzer selber kommt und Rache an ihnen nimmt?
Oder sieht Jesus einfach voraus, was kommen wird?
Dass ein tragischer Leidensweg vor ihm liegt, aus dem es kein Entrinnen gibt, bis zum Schandtod am Kreuz.
Ich stelle mir vor, dass Jesus sich hilflos und ohnmächtig gefühlt hat.
Gott hat ihn in sein Volk Israel geschickt, um die Menschen zur Umkehr zu bewegen. Diesen Auftrag hat er angenommen und leidenschaftlich dafür gelebt.
Er hat von der Liebe Gottes gepredigt, in seiner Nähe konnten die Menschen Gottes Liebe spüren.
Und nun muss Jesus erkennen, dass sein Lebenswerk wohl gescheitert ist.
Hohepriester, Schriftgelehrte und Älteste schenken ihm keinen Glauben.
Sie verstehen ihn nicht.
Ich stelle mir vor, dass Jesus sich einsam und verlassen gefühlt hat.
Es muss schlimm für ihn gewesen sein, mit diesem Lebensgefühl seinem Tod entgegenzugehen.
Es ist schwer, Jesus zu verstehen.
Zumindest diesen einen Satz:
„Was wird nun der Herr des Weinbergs tun?
Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg andern geben.“
Glaubt Jesus, was er da sagt?
Glaubt er wirklich, dass Gott seine Mörder töten wird?
Was Jesus damit über Gott sagt, passt nicht zu dem, was er zeit seines Lebens von Gott gepredigt hat.
Am Ende gibt es für Jesus keine Zwischentöne mehr.
Nur schwarz oder weiß.
>> Bist du ein Freund oder ein Feind?
Gehörst du zu denjenigen, die mich töten oder zu denjenigen, denen der Weinberg gegeben wird? <<
Wer das Gleichnis liest und zu verstehen sucht, sieht sich mit dieser Frage konfrontiert und versucht, eine Antwort zu finden.
In der Geschichte unserer Kirche haben Menschen ganz unterschiedliche Antworten gefunden.
Es gibt bis heute Christen, die das Gleichnis so verstehen:
Das jüdische Volk ist gegenüber Gott ungehorsam gewesen.
Deswegen hat Gott das Heil von seinem Volk genommen und es den Christen gegeben. Wir Christen sind das neue Volk Gottes.
Uns ist der Weinberg jetzt anvertraut.
Ja, tatsächlich ist uns der Weinberg jetzt anvertraut.
Und als Bauern in Gottes Weingarten haben wir den Auftrag, den Weinberg zu bearbeiten.
Früchte sollen wir hervorbringen, aus denen ein bekömmlicher Wein gekeltert wird.
Mit dem Wein unseres Glaubens sollen wir Freude und gute Stimmung verbreiten unter all denen, die sich an den Tischen der Welt versammeln.
Ja, Weingärtner sollen wir sein und nicht die Rächer Gottes an denen, die vor uns Pächter des Weinbergs waren.
Frucht sollen wir bringen – wir Christen – Frucht und nicht Furcht.
Und gerade daran sind wir so oft gescheitert in der Geschichte unserer Kirche.
Haben wir nicht allzu oft Furcht verbreitet – wir Christen – statt mit der Frucht unseres Glaubens Freude, Friede und gute Stimmung in der Welt zu verbreiten?
Wie viel Leid haben wir als Christen über die vorherigen Pächter des Weinbergs – die Juden also – über Jahrhunderte hinweg gebracht!
Ja leider müssen wir das als unsere Sünde bekennen – gerade jetzt in der Passionszeit.
Furcht haben wir verbreitet unter Juden und den indigenen Völkern in Amerika, Afrika und Asien – Furcht statt Frucht.
Wie der Herr des Weinbergs mit den vormaligen Pächtern umgeht, das ist seine Sache und nicht die unsere.
Frucht sollen wir bringen wir Christen – Frucht, weil der uns anvertraute Weinberg wirklich bestens vom Besitzer des Weinbergs angelegt wurde.
Ja, die Mächtigen in Israel haben Jesus seinerzeit nicht verstanden.
Sie haben den Eckstein Jesus verworfen.
Gott aber hat ihn uns Christen als den Eckstein seiner Kirche anvertraut.
Bauen wir also auf der Richtung weiter, die der Eckstein Jesus vorgibt.
Und diese Richtung heißt Liebe, Verständnis, Toleranz, Vergebung und Barmherzigkeit.
Viel zu tun also für uns als Weinbauern.
Viel zu tun, denn solche Frucht braucht die Welt, um Frieden zu finden.
Amen
Einen frohen Sonntag als Arbeiter im Weinberg des HERRN wünscht Ihnen Ihr Pfarrer Jürgen Rix
Invokavit Hiob 2, 1 – 13 26.2.2023
Hiob 2,1-13
1 Es begab sich aber eines Tages, da die Gottessöhne kamen und vor den HERRN traten, dass auch der Satan mit ihnen kam und vor den HERRN trat.
2 Da sprach der HERR zu dem Satan:
Wo kommst du her?
Der Satan antwortete dem HERRN und sprach:
Ich habe die Erde hin und her durchzogen.
3 Der HERR sprach zu dem Satan:
Hast du acht auf meinen Knecht Hiob gehabt?
Denn es ist seinesgleichen auf Erden nicht, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse und hält noch fest an seiner Frömmigkeit; du aber hast mich bewogen, ihn ohne Grund zu
verderben.
4 Der Satan antwortete dem HERRN und sprach:
Haut für Haut!
Und alles, was ein Mann hat, lässt er für sein Leben.
5 Aber strecke deine Hand aus und taste sein Gebein und Fleisch an:
Was gilt's, er wird dir ins Angesicht fluchen!
6 Der HERR sprach zu dem Satan:
Siehe da, er sei in deiner Hand, doch schone sein Leben!
7 Da ging der Satan hinaus vom Angesicht des HERRN und schlug Hiob mit bösen Geschwüren von der Fußsohle an bis auf seinen Scheitel.
8 Und er nahm eine Scherbe und schabte sich und saß in der Asche.
9 Und seine Frau sprach zu ihm:
Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit?
Fluche Gott und stirb!
10 Er aber sprach zu ihr:
Du redest, wie die törichten Frauen reden.
Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?
In diesem allen versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen.
11 Als aber die drei Freunde Hiobs all das Unglück hörten, das über ihn gekommen war, kamen sie, ein jeder aus seinem Ort:
Elifas von Teman, Bildad von Schuach und Zofar von Naama.
Denn sie wurden eins, dass sie kämen, ihn zu beklagen und zu trösten.
12 Und als sie ihre Augen aufhoben von ferne, erkannten sie ihn nicht und erhoben ihre Stimme und weinten, und ein jeder zerriss sein Kleid, und sie warfen Staub gen Himmel auf ihr
Haupt
13 und saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und redeten nichts mit ihm; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.
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Liebe Gemeinde,
am Beginn der Fasten- und der Passionszeit begegnet uns Hiob – ein allseits geachteter Mann, rechtschaffen, weise, reich und erfolgreich.
In den Augen Gottes ist er der vorbildlichste Mensch, der seinerzeit auf der Erde lebte.
Und eben dieser vorbildliche, von Gott hochgeschätzte Mensch, wird von Gott ausersehen als Spielball einer Wette zwischen Gott und dem Satan.
Beginnt es sie da zu frösteln – so wie mich auch?
Ein Mensch als Spielball in der Hand Gottes um eine Wette zu gewinnen…?
Ja, die Hiobsgeschichte stellt so manche Glaubensgewissheiten auf eine harte Probe.
Aber sie steht nun einmal in der Bibel und sie ist uns heute zum Nachdenken aufgegeben.
Da hören wir zunächst von „Gottessöhnen“, die sich wohl regelmäßig mit Gott treffen, auf die Welt schauen, sich beraten und in diesem Fall wetten, wie Menschen sich verhalten, wenn sie in
bestimmte Situationen gebracht werden.
Und zu diesen „Gottessöhnen“ gehört ganz offensichtlich und auch ganz selbstverständlich der Satan – der große Gegenspieler Gottes im Himmel.
Die biblischen Geschichten spielen im Vorderen Orient – einer Gegend, die für ihre dramatischen Geschichten bekannt ist.
Und nun werden wir Zuschauer dieses bedrückenden Dramas, in dem Gott zulässt, dass der Satan den rechtschaffenen Hiob schädigt und schlägt bis an die Grenzen des Erträglichen.
All seine Kinder müssen sterben.
Hab und Gut verliert er.
Und zuletzt wird er übersät mit ekelerregenden Geschwüren vom Scheitel bis an die Fußsohlen.
Diese Geschwüre machen Hiob zu einem Unreinen.
Er muss sich also absondern.
Niemand darf zu ihm kommen und mit ihm reden.
Darin besteht also die Wette zwischen dem Satan und Gott:
>> Wenn Hiob isoliert ist, dann wird er sich auch von Gott verlassen fühlen und schließlich den Gott verfluchen, den er sein Leben lang verehrt hat <<.
Gott hält dagegen und traut dem Hiob zu, auch in dieser Bedrängnis im Glauben fest zu bleiben.
So sitzt er nun da in der Asche – der mit eiternden Geschwüren überzogene Hiob.
Er schabt sich seine Geschwüre mit einer Tonscherbe und trägt sein Leid mit ausdauerndem Glauben.
Der einzige Mensch, der ihm geblieben ist, ist seine Frau.
Und sie – seine Frau also – sie tröstet ihn nicht.
Sie ist wütend auf den Gott, der zulässt, dass dieses schlimme Schicksal über ihre Familie gekommen ist.
Sie stellt den Glauben in Frage.
„Fluche Gott und stirb“! – so schleudert sie ihren Verdruss ihrem Mann entgegen.
Es soll ein Ende haben mit diesem Leben und erst recht ein Ende mit dem Glauben an Gott.
Die eigene Ehefrau nimmt die Worte in den Mund, mit denen der Satan seine Wette mit Gott aufgestellt hat.
Und Hiob?
Er bleibt der Hiob, der er ist und der er war.
„Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?“
Gott gewinnt seine Wette.
Denn Hiob denkt auch im größten Leid nicht daran, vom Glauben abzuweichen.
Sein Glaube ist unerschütterlich.
Doch nun kommt die Zeit ins Spiel, die Zeit, in der Hiob es aushalten muss, geschlagen, vereinsamt und entstellt leben zu müssen,
Tag für Tag,
vom frühen Morgen bis zum Abend
und wohl auch ohne erholsamen Schlaf in der Nacht.
Schlimm ist das!
>> Und führe uns nicht in Versuchung << …
So beten wir im Vaterunser.
Hiob aber wird in Versuchung geführt, hart und unerbittlich jeden Tag, 24 Stunden lang.
Das muss ein Mensch erst einmal aushalten!
Und Hiob hält es aus!
Weil er sich einen guten Namen gemacht hat in aller Welt, darum hat Hiob auch gute Freunde.
Drei von ihnen kommen zu ihm, um ihn zu trösten.
Sie nehmen sich Zeit, diese Freunde…
Viel Zeit sogar.
Und als sie den mit Geschwüren übersäten Hiob sehen, da verschlägt es ihnen die Sprache.
Laute des Entsetzens stoßen sie aus.
Hiobs Anblick treibt ihnen die Tränen in die Augen.
Sie zerreißen ihre Kleider und werfen Staub über sich – als Zeichen der Dürre und Ratlosigkeit, die sie überkommt, wenn sie auf Hiob blicken.
Und dann setzen sie sich zu ihm, sieben Tag und sieben Nächte.
Und sie schweigen, weil es nichts zu reden gibt, …
weil die Worte fehlen …
… und weil der Schmerz sehr groß war.
Solche Freunde muss man erst einmal haben.
Wohl dem, der im Schmerz nicht allein ist, sondern drei treue Begleiter an der Seite hat – auch dann, wenn diese Begleiter nichts tun können, weil sie sich eben hilflos fühlen.
Aber wenigstens sind sie da!
Sie teilen Hiobs Schmerz und sie weinen mit ihm.
Das wäre genug.
Denn mehr kann ein Mensch in so einer Situation nicht tun.
In diesen sieben Tagen und Nächten, da hat wohl jeder auch die Frage nach dem „Warum?“ gestellt.
Warum Hiob?
Warum all dieses Leid in dieser Stärke und Häufung?
Doch auf die Frage nach dem „Warum?“, gibt es keine Antwort.
Damals genauso wenig wie heute.
Dasitzen, Zeit miteinander teilen, miteinander weinen und vielleicht einander umarmen und streicheln.
Mehr kann ein Mensch nicht tun für einen, über den so viel Leid kommt wie über Hiob.
Wer einen schwer getroffenen Schlaganfallpatienten betreut, der wird das bestätigen können.
Es fehlen einfach die Worte.
Aber die menschliche Nähe, die tut gut.
Die menschliche Nähe, sie wird wahrgenommen, auch von einem, der nicht mehr reden kann oder gar im Koma liegt.
Menschliche Nähe spenden im Leid – das reicht.
Damit könnte die Predigt jetzt aufhören.
Und mehr hätten Hiobs Freunde auch nicht tun müssen.
Doch nach sieben Tagen bricht Hiob sein Schweigen.
Er klagt sein Leid.
Und die Freunde antworten auf seine Klage.
Und da wird es richtig spannend – auch für uns im Umgang mit Menschen, die das Schicksal hart anpackt.
Wenn ein Mensch klagt, dann sollte man als Zuhörender und Tröstender in seine Klage mit einstimmen.
Etwa mit Worten wie:
„Da hast du recht.
Das empfinde ich auch so“.
Mehr nicht. Denn das reicht.
Als Tröstender sollte man es vermeiden, Ursachenforschung zu betreiben oder die sogenannten „guten Ratschläge“ zu erteilen.
Hiobs Freude aber tun genau das:
Sie stellen die Frage nach dem Warum?
Und sie liefern die Antwort gleich mit.
>> Gott kann an deinem Leid nicht schuld sein.
Dein Leid muss seine Ursache in einem Vergehen auf deiner Seite haben, also in deiner Sünde. <<
Die Freunde wollen den „lieben Gott“ verteidigen, der in Hiobs Fall eben kein „lieber Gott“ ist.
Aber da geraten sie bei Hiob an den Falschen.
Denn Hiob hat sich nichts vorzuwerfen.
Und das behauptet er auch felsenfest.
Aus diesem Grund ist Hiob auch ein Vorbild im Glauben.
Denn der Glaube schenkt einem Menschen, der sich nichts vorzuwerfen hat, auch die Kraft zum Selbstbewusstsein.
34 lange Kapitel in drei Redewechseln besteht Hiob darauf, dass die Schuld für sein Unglück nicht bei ihm zu suchen ist.
Und in diesen langen 34 Kapiteln ringt er mit dem Gott, der nicht verhindert hat, dass dieses Leid über ihn kommt.
Auch als Gott nach langer Zeit auf die Klage Hiobs antwortet, bekommt er keine Antwort auf die Frage nach dem „Warum“.
Gott macht in seiner Antwort den Abstand zwischen Gott und Mensch deutlich.
Und damit muss sich Hiob am Ende begnügen – so wie wir auch.
Am Ende der Geschichte schenkt Gott dem Hiob neues Glück und neuen Segen.
Gutes Ende also – nach einem bösen Spiel.
Und wir?
Was nehmen wir mit aus dieser Geschichte und aus diesem ersten Sonntag in der Passionszeit?
Einem Leidenden oder Kranken nahe sein, Zeit mit ihm teilen, mit ihm weinen, ihn streicheln und umarmen – das reicht – mehr kann ein Mensch nicht tun.
In die Klage eines Leidenden oder Kranken einstimmen – auch das reicht – mehr kann ein Mensch nicht tun.
Ratschläge braucht es nicht.
Denn die kommen allzu oft nur als „Schläge“ an.
Und die Frage nach dem „Warum?“ bringt gar nichts.
Denn die Frage nach dem „Warum?“ – sie macht stumm und dumm.
Wer einen Leidenden trösten will, der soll einfach Zeit und offene Ohren mitbringen und viele Taschentücher dazu, um die Tränen zu trocknen.
Das reicht!
Mehr kann ein Mensch nicht tun.
Aber das ist eine ganze Menge.
Denn Zeit heilt viel.
Vor allem dann, wenn man nicht allein ist und Freunde hat, die zuhören und Taschentücher dabeihaben.
Amen
Einen festen Glauben und gute Freunde in der Not wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer Jürgen Rix